Seiten

Freitag, 5. April 2019

Laufen auf dem Laufband als Alternative zur Natur?

Du hörst den Regen waagerecht an die Scheibe klatschen. Den Wind dazu. Im Winterhalbjahr ist es nunmal früher dunkel und meist eben auch unangenehm kalt. Und in deinem ewig gleichen Laufgebiet hast du wahrscheinlich schon jeden Meter Kies auf den Wegen so platt getreten, dass dessen Belagsqualität eine durchschnittliche deutsche Bundesstraße um Längen schlägt.

Es gibt Läufer in schneereichen Gebieten, wo nach Neuschneefall die Straßen noch nicht geräumt sind. Und nun?

Jetzt gerade, wo ich diesen Artikel verfasse, ist Mitte März draußen das nach meinem Geschmack schlechteste Wetter überhaupt um vor die Tür zu gehen. Starker Dauerregen, Kälte, starker Wind. Der heiße Kaffee schmeckt gerade sehr angenehm. Für heute allerdings noch Null Laufkilometer auf dem Tacho.

Vor rund einem Jahr lief ich an einem vergleichbaren Tag im Studio auf dem Laufband. Gutes Studio, technisch gute Laufbandqualität, nette weitere Gäste dort.

Und dennoch. Ich hielt es eine ganze Stunde auf dem Band aus. Schon nach 10 min fragte ich mich, was ich hier überhaupt mache. Als ehemaliger Trailläufer liebe ich die Natur. Unplugged, also generell ohne Stöpsel im Ohr mit Musik drauf. Ich möchte Wind-, Wald, und Tiergeräusche hören. Und auch den Radfahrer von hinten. Aber ich gebe zu, schlechtes Wetter hasse ich wie sonstwas. Jaja, da höre ich die Klugscheißer krakeelen mit dem Standart, „es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Bekleidung.“

Hey Klugscheißer, haltet einfach mal die Klappe. In manchen Momenten des Lebens tut ihr euch selbst und euren Mitmenschen mit Klappe halten einen großen Gefallen. ;-) {Spaßmodus}

Sachlich natürlich völlig richtig. Ich weiß garnicht, wie wir in den 80ern beim Training überlebt haben. Baumwolle, die abgefahren modernen von uns schon in schriller Ballonseide. Ihr erinnert euch? Nix Funktionsfaser, Regendichtigkeit. Wir haben geflucht und sind eben gelaufen. Und niemals war das sportliche Niveau der Läufer höher als damals.

Zurück zum Laufband.

Irgendwie schaffte ich an dem Tag eine Stunde. Es ging mir irgendwann auch um die Ehre. Während ein mir Bekannter schneller Läufer in der Marathonvorbereitung sogar seine 35 km mit 15 km Endbeschleunigung auf dem Band runterreißt, werde ich ja wohl ne Stunde joggen aushalten.

Es kam mir vor wie eine Art Beamtenprüfung (ich war mal Beamter, Bundespolizist, ich nehme mir den Witz heraus): 15 min aus dem Fenster schauen und sich nichts dabei denken. Wer das schaffte, hatte bestanden.

Mein früherer Mentor in Sachen Ultralauferei hatte mir damals vermittelt, auch die mentale Monotonie zu trainieren.

Nun, mit solchem Gedankengut schleppte ich mich durch die Stunde. Danach fühlte ich mich geistig wie manch einer im Ziel seines ersten Marathons: „Nie wieder!!!“

Nun gut, in Wetterlagen wie heute gerate ich ins Schwanken……

Rein trainingsmethodisch darf die Frage gestellt sein, ob ein Training auf dem Laufband genauso wertvoll ist wie ein Training outdoor. Oder es sogar im extremsten Fall längerfristig ersetzen könnte.

Muskulär ist es definitiv ein Unterschied, ob du dein Gewicht über den Boden, ob flach oder hügelig, aktiv bewegen musst, oder ob der Boden (das Laufband) sich unter dir bewegt und du in entsprechender Geschwindigkeit die Beine nur heben musst.

Was würde also passieren, wenn du wesentliche Teile deines Trainings auf dem Laufband, welches auch noch gedämpft ist, absolvierst und dann beim Straßenmarathon startest?

Die Antwort liegt im Wesentlichen in deiner Motivation und deinem eigenen Anspruch an deine Leistung begründet.

Im Wettkampf musst du mit jeder Version möglicher Wetterlagen zurecht kommen. Insbesondere dann, wenn diese am Renntag besonders anspruchsvoll ist, wie Hitze, Sturm und Regen, Glatteis usw. bist du schlicht überfordert, wenn du dich im Training nicht regelmäßig an diese Bedingungen angepasst hat. Immer schön im klimatisierten Luxusstudio mit ständigem Zugriff auf Getränke gelaufen? Prima! Und wenn dein Rennen bei 30°C ohne Schatten stattfindet? Fühlst du dich dann gut vorbereitet?

Gleichgewicht halten und das Rutschverhalten deiner Laufschuhe in Kurven testen bei Glatteis ist sehr wertvoll für Wettkämpfe im Winter. Im Studio eben nicht trainierbar.

Durchaltewillen im Dauerregen bei Wind von vorn? Elender Mist, aber Anpassung hilft dir für den Tag, wo es drauf ankommt. Im Studio unmöglich zu trainieren.

Läufst du im Rahmen deiner persönlichen Fähigkeiten einen relativ langen Wettkampf, bist du spätestens in den letzten 2 Monaten gut beraten, wenn du nach Möglichkeit den Laufuntergrund an deine Wettkampfstrecke angleichst. Wer auf schön weichem Wald- und Wiesenboden in hügeligem Gelände trainiert, muss sich nicht wundern, wenn seine Muskulatur der immer gleichförmigen Belastung eines flachen Straßenmarathons auf Asphalt nicht gewachsen und nach 25km „dicht“ ist. Das gilt eben auch für die andersartige muskuläre Belastung auf dem Laufband.

Sollte dir dein Wettkampfergebnis also wichtig sein, gib deinem Körper und deinen mentalen Fähigkeiten die Chance der Anpassung.

"Train hard, fight easy!“

Eine ganz zentrale Sichtweise meiner Auffassung zum leistungsorientierten Sport.

Es gibt aber auch ganz klare Argumente für das Training auf dem Band!
Meines Erachtens das Wichtigste: Wenn die Alternative lautet, „Trainingsausfall“, dann ist das Laufbandgetrabe tausendmal besser als Nichtstun.

Wenn du dich also beispielsweise absolut nicht motivieren kannst bei Sauwetter, oder der Neuschnee deine Strecken tiefgelegt hat, oder du andere Gründe hast, heute garantiert nicht draußen zu laufen, dann bringt dich ein Tag auf dem Sofa deinen Zielen nicht wirklich näher!

Wenn du in der Lage bist, deine Outdooreinheit an solchen Tagen vollumfänglich auf dem Band zu absolvieren - ist doch klasse! Wenn du so wie ich einfach überhaupt keine Lust aufs Laufband hast und bestenfalls wenige km darauf joggen möchtest, dann bekommt deine Muskulatur wenigstens einen kleinen Leistungserhaltungsreiz. Du entwickelst dich dann zwar nicht weiter, verlangsamst aber den Leistungsrückschritt, den du auf dem Sofa liegend deutlich spüren würdest.

Lieber Training auf dem Laufband, als gar kein Training!

Hinzu kommt als zweites stichhaltiges Argument für das Laufband das trainieren deiner Fähigkeit, geistige Monotonie zu ertragen. Dafür gibt es vielfältige Möglichkeiten. In den Zeiten bevor es taugliche Laufbänder gab, ermutigte mich mein damaliger Mentor, gelegentlich einen Trainingsmarathon auf dem Sportplatz zu laufen. 105,5 Runden á 400m. Und das unbedingt allein, um keine Ablenkung zu haben. Im weiteren Sinne vergleichbar mit Training auf dem Laufband.

Es lässt sich also ein sinnvoller Trainingseffekt geistiger Art erreichen, wenn du als Marathon- oder Ultraläufer gelegentlich lange Läufe auf dem Band einstreust, um genau an der Bewältigung von Monotonie zu arbeiten. Unterschätze diese Fähigkeit nicht!

Argumente für das Laufband findet aber vor allem der Hobbyläufer, der entweder gar keine Wettkämpfe läuft, oder dem das Ergebnis völlig zweitrangig ist.

Hier gehts allen voran an Spaß und Genuss des Laufsports. Viele Hobbyläufer sehen für sich keinerlei Gründe, unangenehme Umstände zu ertragen, da ihre Motivation einfach völlig anders gelagert ist. Nach Feierabend ein wenig laufen gehen und ab und an einen Volkslauf bestreiten. Wenn überhaupt. Es gibt kaum einen Grund, sich sintflutartigen Regenfällen knapp über dem Gefrierpunkt auszusetzen, es sein denn, man mag das.

Wenn diese Sportler in Bewegung bleiben auch an Tagen, wo die Umstände gegen ein Training draußen sprechen, ist doch klasse, dass es Laufbänder gibt. Nur zu! Habt Spaß und bewegt euch. Folgt eurem Gefühl und macht, was euch Freude bereitet. Hier gibt es keinen Grund, auf ein Training auf dem Laufband zu verzichten.