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Freitag, 5. Juli 2019

Training bei Hitze - jetzt mal Klartext!

Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels hatten wir gerade mehrere Tage starke Sommerhitze überstanden. Alles stöhnte, alles verzog sich. Training wurde auf abends (nützte kaum was) oder auf früh morgens (von den wenigsten) verschoben. Oder fiel schlicht aus.

In den Medien, auch denen, in denen es um Sport geht, ballten sich die Mahnungen der Hitze aus dem Weg zu gehen.

Für Sportler die auch mal an Wettkämpfen teilnehmen, ist sowas eine vollkommen unverantwortliche Empfehlung. Vielleicht mag so ein Rat naheliegen, jedoch sollte man sich der Folgen bewusst sein. Hitzezusammenbrüche schon beim Volkslauf werden auf diese Weise mangels Anpassung daran gerade zu provoziert. Wer diese Warnungen annimmt, schadet unter Umständen seiner Gesundheit!

Wie bitte?
Ja, genauso ist es.
Wenn du mal an einer Laufveranstaltung teilnimmst, ist Tag und Startzeit vorgegeben. Was ist, wenn es genau zu dem Zeitpunkt 30°C ist? Du kannst es dir ja nicht aussuchen.

Ist dir schonmal an dir und anderen aufgefallen, wie die ersten Läufe an den ersten warmen Frühlingstagen ausgehen? April, vielleicht der erste Tag mit 20°C. Ich habe es dieses Jahr bei einem großen Stadtlauf wieder gesehen. Bei nur 20°C liegen die Läufer reihenweise bereits auf der nur 10 km Laufstrecke neben dem Kurs im Schatten und ringen regelrecht nach Bewusstsein.
Sie sind es nach dem Winter einfach noch nicht gewohnt. Von "Hitzeschlacht" ist geradezu inflationär die Rede. Bei 20°C!!!

Die gleichen 20°C aber am Ende des Hochsommers im August entlocken dir ein müdes Lächeln und bei der Siegerehrung (oder beim Kuchenbuffet) holst du dir schon das Langarmshirt raus.

Was ist also mit dir passiert?
Anpassung! Wie sooft: Dein Körper ist ein Wunderwerk in der Anpassungsfähigkeit. Wenn du es von ihm forderst. Du hast den ganzen Sommer irgendwie in der Wärme agiert und dein Körper hat sich nach und nach adaptiert. Du erträgst die Hitze Ende des Sommers einfach viel besser.

Auch dein Schweiß am Körper fühlt sich anders an. Nachdem dein Körper im Winter wesentlich seltener und schwächer deine Schweißzellen wegen äußerlicher Wärme aktivieren muss, geht er im Frühling viel verschwenderischer zum Beispiel mit ausgeschwitzen Mineralstoffen um. Er hauts regelrecht raus mit allen Problemen die daraus entstehen können. An den ersten warmen Frühlingstagen fühlt sich dein Schweiß regelrecht "dicker" an, während du im Spätsommer eher leichtflüssiges Geschmiere verlierst.

Was ist zu tun?
Führe bewusst eine Anpassung herbei. Der aktuell schnellste Athlet den ich betreue "muss" auch in höchster Hitze möglichst mitten am Nachmittag auf die Bahn und Tempotraining machen. Bei ihm gehts allerdings ausschließlich um Leistung. Das sind seine Ziele. Da er bisher eine Schwäche bei Hitze hatte und seine Fortschritte durch dieses Training erkennt, bedarf es auch keiner Überredungskunst, da ihm alles klar ist. Einzig die Getränkeversorgung muss gewährleistet sein und natürlich ein sorgsames Auge des Trainers. Selbstverständlich brachen wir so eine Einheit auch schonmal ab. Je besser er sich aber über die Wochen anpasst, umso seltener kommt das vor. Das letzte stahlharte Intervalltraining in der gerade vergangenen Hitzewoche überstand er völlig problemlos bei 34°C im Schatten, den er auf der 400m Bahn natürlich nicht hatte.

Du bist Hobbysportler und kannst dir deine Trainingszeiten nicht so aussuchen? Kein Problem. Du erkennst aber sicher die Notwendigkeit im Sinne deiner eigenen Gesundheit, mit Augenmaß, Eigenverantwortung und gesundem Gefühl für deine eigenen Fähigkeiten dich der Hitze anzupassen.

Sofern du die Gelegenheit hast, geh unbedingt der Hitze nicht auf dem Weg. Gib deinem Körper die Chance der Anpassung. Rein in die Hitze! Aber ebenso mit Augenmaß! Am Wochenende vielleicht am späteren Nachmittag, wenn du es dir traust, auch in der Mittagssonne und vor allem: Steigere dich dabei und fang nicht gleich an deiner Leistungsgrenze an.

Sorge auf deiner Strecke auch für spontan mögliche Getränkeversorgung. Wenn du ängstlich bist, sammle deine Laufkilometer in kleinem Radius um deinen Startpunkt. Lauf notfalls zu zweit. Fühle aber immer in dich hinein und mach nicht sklavisch nach was ich hier schreibe. Du trägst eine Eigenverantwortung!

Hört sich dramatisch an? Meine Güte, als Kinder haben wir in einer Zeit vor Smartphones auch ganze Sommernachmittage draußen getobt. Und 34°C gab es schon damals. Das haben wir alles überstanden. Bei Kindern braucht man sich da überhaupt keine Sorgen machen. Werden die gelassen und nicht von den Eltern unter Druck gesetzt, hören die weit rechtzeitig von allein auf. Problematischer ist das bei Erwachsenen. Die laufen häufig (insbesondere Männer) bis sie ohnmächtig werden. Oder mehr.

Vielleicht hast du ja einen gesunden Menschenverstand und machst das mit Augenmaß. Dann kann dir an deinem Wettkampftag X das Wetter beinahme egal sein. Du bist ausreichend vorbereitet.

Bist du reiner Hobbysportler ohne jede Wettkampfambition hast du eben keinen Tag X und das Thema könnte dir wurscht sein.
Mein Ratschlag an alle, vor allem aber an die Hobbysportler: Gestaltet euch euren Sport so, dass er euch möglichst lange Spaß macht. Im Idealfall jahrelang. Wenn ihr euch im Training etwas abverlangt, was euch völlig gegen den Strich geht, werdet ihr sehr wahrscheinlich irgendwann mit dem Sport aufhören. Das wäre doch schade.

Eine Hitzeanpassung während des Sports hilft aber auch dem Hobbysportler, denn auch er passt sich an und kommt auch im Berufs- oder Freizeitalltag mit der Hitze besser zurecht. Bauarbeiter oder Hobbygärtner mit schlechter Hitzeadaption? Prost Mahlzeit. Für die Geier!