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Samstag, 15. Juni 2019

Streakrunning - nützlich, witzig, oder alter Brei neu aufgewärmt?

Diesen Artikel verfasste ich für meinen ehemaligen Arbeitgeber, die Firma Greif (www.greif.de).


Eine Begrifflichkeit, die den langjährigen Läufern durchaus bekannt ist. Manchmal scheint es jedoch, als würden Dinge, Methoden und Umstände erst dann richtig populär werden können, wenn sich ein griffiges oder einprägendes Wort für seine Beschreibung finden lässt.
Streakrunning bedeutet in unserem Sinne als Läufer die ungebrochene Serie täglichen Laufens. Tun die leistungsorientierten Sportler unter uns sowieso. Nicht selten auch 2x am Tag. Das tun die einfach, hatten bisher bloß keinen Namen dafür. Peter Greif verkündete zu Lebzeiten immer wieder, dass kaum eine Einzelmaßnahme im Training so wertvoll ist wie die Erhöhung der Anzahl der Trainingseinheiten.
Aber zum Hintergrund des Streakrunnings:
Man kann den Beginn natürlich nicht definieren, denn täglich gelaufen wurde schon immer. Für uns Läufer wurde der Zeitraum in den Sechziger und Siebziger Jahren relevant, als die sich immer mehr formende Trainingsmethodik in Richtung täglichem Training auch für Hobbysportler entwickelte.
Aus dieser Zeit wurde die erste Streak eines Läufers bekannt, dem Briten Ron Hill. Mehrmaliger Weltrekordler und Gewinner bedeutsamer Marathonläufe der damaligen Zeit. Ron lief täglich seit 1964. Runnersworld schreibt, dass diese Serie 52 Jahre (!) gehalten hat.
Wenn du dir vornimmst, wirklich täglich zu laufen und das auch umsetzt, dann schmerzt es durchaus nach beispielsweise einem halben Jahr einen Ruhetag einzulegen. Dann fängt deine Zählung nämlich wieder bei Null an, denn deine Serie ist am Ruhetag gebrochen worden. Deine Motivation, wenigstens nur eine klitzekleine Runde ... wird sehr hoch sein!
Wie lang „muss“ denn eine klitzekleine Runde mindestens sein? Spätestens nach Gründung der United States Running Streak Association im Jahr 2000 gilt gemeinhin die Mindestlaufstrecke von einer Meile, also 1,6 km.
Lächerlich? Erst einmal machen. Täglich! Und wenn du mal unterbrichst, weil „absolut keine Zeit“ da ist, das Wetter zu schlecht, der Bauch zu voll, die Gattin mit forderndem Nachdruck zutraulich oder sonstige schwerwiegende Verhinderungsgründe vorliegen, fängst du von vorn an.
Den bisher viel weniger trainierenden sei gesagt: Täglich laufen bedeutet nicht, sich täglich auszubelasten. Auch ein reiner Hobbyläufer ohne Wettkampfambitionen hat die Möglichkeit, inhaltlich zwischen belastendem und erholsamen Laufen zu unterscheiden. In Distanz und/oder Tempo. Ein tägliches Training muss keineswegs mit Automatismus in die Überforderung führen. Mit einem kompetenten Trainer dabei hast du es sicher einfacher. Ich behaupte jedoch, in nahezu allen Fällen hilft auch der gesunde Menschenverstand, ein rein im Hobbyrahmen umgesetztes tägliches Training auszuüben ohne dass es in Krankheit, Verletzung, Übertraining endet.
Welcher Hobbyläufer aber bisher 2x pro Woche 8 km nach Feierabend gejoggt ist und nun meint, er macht das ab jetzt täglich, verlängert die Tagesstrecke und erhöht das Tempo dabei, der darf sich eben nicht wundern...
Welchen Nutzen haben aber die leistungsorientierten Läufer und warum kann auch eine Ministrecke von nur einer Meile an einem Tag wertvoll sein in dieser Leistungsklasse?
Es war die Endphase meiner persönlich höchsten Leistungsfähigkeit als Läufer. Ich lief „Streak“, ohne dass mir dieser Begriff wichtig war. Den Nutzen täglichen Trainings spürte ich in jeder Saison.
Damals hörte ich wahrscheinlich das erste Mal vom Begriff Streakrunning. Irgendwie machte mich das ja an. Siehe erster Absatz dieses Newsletters. Meine Frau kannte das dann bald: Auch wenn direkt nach der Arbeit mal auf irgendwelchen Sitzungen im Ehrenamt spät wurde und ich um 23 Uhr nach Hause kam, hatte ich ja noch eine Stunde bis zum förmlichen Ende des Tages. Ich zog mich um und joggte noch kurz 2-3 km um unser Dorf.
Aber was soll das? Methodisch gesehen?
Als leistungsorientierter Läufer wirst du von dieser Maßnahme keine Weiterentwicklung erwarten können.
Jetzt kommts: Du bremst aber den Rückschritt, der durch einen Pausentag eintreten würde. Falls dein Training am Vortag hart war, verbesserst du durch so eine Minirunde sogar deine Regeneration, verglichen mit mit einem Sofa- oder Besprechungstag.
Daraus folgt auch für die Heißkisten unter uns Läufern: Mach dir an solchen Tagen wo du es zeitlich oder sonstwie nicht so richtig hinbekommst mit dem Training keinen Streß für ein vollwertiges Training. Es geht um diese einzelnen Ausnahmetage. An allen anderen trainierst du ja sowieso. Motiviere dich aber durch das Reißen deiner Streak, auch an den seltenen Tagen, an denen du sonst nichts gemacht hättest, wenigstens diese Meile zu laufen.
Meine eigene Grenze nach unten ist übrigens 2,15 km. Denn dies ist von meiner Haustür eine nicht abkürzbare „Hunderunde“ durchs nahe Feld.
Nicht zu unterschätzen ist das Training deiner mentalen Fähigkeiten durch das Halten einer Streak. Du trainierst deinen Kopf täglich aufs Neue durchzuhalten. Auch wenns unbequem wird. Dich über Widrigkeiten wie vermeintlichem Zeitmangel oder Weltuntergangswetter hinwegzusetzen und trotzdem am Erreichen deiner Ziele zu arbeiten. Nicht wenige sagen, beim Laufen lernt man auch fürs Leben.